Masernpartys – keine gute Idee!
Oft begegnet man – meist im Zusammenhang mit der sogenannten „eigenverantwortlichen Impfentscheidung“ – der Ansicht, eine durchgemachte Masernerkrankung sei im Hinblick auf die „Stärkung des Immunsystems“ auf jeden Fall einer Impfung vorzuziehen. Natürlich ist das in mehrfacher Hinsicht Unsinn. Die Impfung stellt einen im Grunde sehr natürlichen Vorgang dar, eine gezielte Stimulierung des Immunsystems, wie sie mit tausenden täglich auf uns eindringenden Keimen „ganz von allein“ auch stattfindet. Die Impfung ist nur eben gezielt und bezieht sich auf Erreger, von denen wir wissen, dass sie nicht so „mal eben“ vom Immunsystem weggesteckt werden können.
Wir wissen heute, dass eine durchgemachte Masernerkrankung dagegen das Immunsystem nachhaltig schwächt, teils über Jahre hinweg – und sich damit das Erkrankungsrisiko bei Infektionen aller Art nach einer Masernerkrankung auch langfristig deutlich erhöht. Es gibt eine Untersuchung in Amerika, dass hierdurch bedingte Sekundärinfektionen mit anderen Erregern vor Einführung der Impfung für 50 Prozent aller Todesfälle im Kleinkindalter verantwortlich waren. Ja, mehr noch: Nach neuen Erkenntnissen ist das Masernvirus in der Lage, bereits im Immunsystem gespeicherte Informationen vollkommen zu „löschen“, eine „Immunamnesie“ zu erzeugen. Irre gefährlich!
Ganz abgesehen von der unnötigen Krankheitslast (der Summe aller Auswirkungen und Folgen von Erkrankungen) und natürlich dem Nebenwirkungs- und Spätfolgenrisiko. Und durch die akute Erkrankung geht das Immunsystem für sechs bis acht Wochen völlig „auf dem Zahnfleisch“ – man nennt das „transitorische Immunschwäche“, eine Einladung geradezu für bakterielle (Super-)Infektionen, was auch der Grund für die häufigen Mittelohr- und Lungenentzündungen im Zusammenhang mit Masern ist.
Wieder begegnen wir einem völlig falschen Natürlichkeitsbegriff. „Natürlich“ ist eine Infektion allenfalls aus der „Sicht“ des Bakteriums oder des Virus, das damit sein genetisches Programm erfüllt. Besonders schlimme Auswüchse dieser Fehleinschätzung sind „Masernpartys“, bei denen in mehr oder weniger gutem Glauben Kinder bewusst und gezielt der ach so natürlichen Infektion mit dem Masernvirus ausgesetzt werden. Fraglos eine hocheffektive Angelegenheit, denn bei der Ansteckungsfähigkeit der Masern kann man davon ausgehen, dass nahezu hundert Prozent aller, die sich dort zusammen mit Infektionsträgern befinden, auch erkranken werden. Und nein, anders als Impfgegnerseiten suggerieren wollen, sind Masernpartys wohl kein „Mythos“, keine „urban legend“. Man muss sich sowas ja nicht unbedingt als Veranstaltung mit 100 Teilnehmern mit Plakaten, Einladungskärtchen und Facebook-Veranstaltungsankündigung vorstellen. Ein Nachbarschaftstreffen nach vorheriger Absprache tut es auch – ohne dass da groß was publik würde.
Wie schon gezeigt, ein schlimmer, grotesker Irrtum, befeuert von Unkenntnis, falsch verstandener Natürlichkeit und leider auch der Propaganda für die „Eigenverantwortlichkeit“. Ob alle Besucher und Veranstalter von Masernpartys sich wohl über die möglichen rechtlichen Folgen klar sind? Kaum – sie sind es ja auch nicht hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen…
Ärzte, die öffentlich eine Teilnahme an Masern-Partys empfehlen, begehen nicht nur einen Kunstfehler, sondern machen sich sogar strafbar. Darauf weist z.B. die Bayerische Ärztekammer hin. Gegen Ärzte, die die Weiterverbreitung von Masern zulassen, können auch berufsrechtliche Schritte eingeleitet werden.
Nach dem Infektionsschutz-Gesetz (IfSG) kann die Weiterverbreitung von Krankheitserregern mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden (§ 75 Abs. 3 IfSG). Das betrifft die Veranstalter von Masernpartys ebenso wie die Eltern der betroffenen Kinder, deren „Elternrechte“ hier eindeutig eine Grenze finden.
Die willentliche Infizierung eines Menschen mit einer Infektionskrankheit stellt eine vorsätzliche Körperverletzung dar (§ 223 StGB, Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen), das kann sich im Einzelfall bis hin zur gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 StGB erweitern.
Da die Teilnehmer dieser „Masernpartys“ meist Kinder sind, kommt noch die Misshandlung Schutzbefohlener nach § 225 StGB hinzu. Im schlimmsten Fall, bei Folgeschäden der Masernerkrankung, ist in der Regel der Tatbestand der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB erfüllt, bei einer Todesfolge Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB. Der Strafrahmen liegt zwischen drei Monaten und zehn Jahren Freiheitsentzug.
Und Dr. Petra Albrecht, Vorstandsmitglied bei der Sächsischen Landesärztekammer, nennt in einem aktuellen Interview Masernpartys ohne Umschweife „Kindeswohlgefährdung“.
Schützt unsere Kinder! Lasst impfen – und prüft auch den eigenen Impfschutz!
Bildnachweis: Wir bedanken uns herzlich bei Kumi !
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