Hahnemanns Chinarindenversuch – womit alles begann
Zusammenfassung
Auf den Chinarindenversuch gründete Hahnemann sein Ähnlichkeitsprinzip und auf dieses sein ganzes Gedankengebäude der Homöopathie. Zu seiner Zeit ein netter Versuch, aber heute noch?

Der Chinarindenversuch – Irrtum statt Revolution
Wenn Homöopathen über die Wurzeln ihrer Methode sprechen, dann landet man schnell beim berühmten Chinarindenversuch von Samuel Hahnemann aus dem Jahr 1790. Dieser Selbstversuch soll der „Beweis“ für das sogenannte Ähnlichkeitsprinzip gewesen sein: „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“. Klingt spannend, oder? Aber was genau hat Hahnemann damals eigentlich gemacht, und was sagt uns die moderne Wissenschaft dazu?
Der Versuch: Spannende Idee, falsche Schlussfolgerung
Hahnemann wusste, dass Chinarinde ein wirksames Mittel gegen Malaria ist – eines der wenigen damals schon bekannten wirklichen Heilmittel unter dem vielen untauglichen Zeug, das in der damaligen Medizin zum Einsatz kam. Um mehr darüber herauszufinden, nahm er selbst mehrere Tage lang eine recht hohe (alles andere als homöopathische) Dosis Chinarinde ein. Dabei stellte er an sich Symptome fest, die ihn an Malaria erinnerten: Zittern, kalte Hände, Benommenheit und so weiter. Für Hahnemann war klar: Die Chinarinde löst Symptome aus, die den Beschwerden ähneln, die sie eigentlich heilen soll. Voilà, das Ähnlichkeitsprinzip war geboren!
Doch hier beginnt der Irrtum: Hahnemann hatte nur sich selbst als Versuchsperson, keine objektiven Messungen und jede Menge subjektive Eindrücke, die er auch nur vor dem Hintergrund damaligen Wissens (oder Unwissens) einordnen konnte Zumal die Idee des „Heilens per similia“ längst vor ihm schon in der Medizin nicht ganz unbekannt war. Heute würde man das schlicht als „Confirmation Bias“ bezeichnen, als Bestätigungsfehler – er sah, was er sehen wollte. Trotzdem: Hahnemann war zutiefst überzeugt, hier das „göttliche Prinzip“ des „Ähnliches möge Ähnliches heilen“ entdeckt zu haben und baute in der Folge das ganze Gebäude der Homöopathie darauf auf. Auf einem fundmentalen Fehlschluss! Buchstäblich alles in der Homöopathie hängt am Ähnlichkeitsprinzip und ist ohne dieses nicht denkbar oder sinnlos – was das heißt, wenn das Ähnlichkeitsprinzip selbst unhaltbar ist, liegt auf der Hand.
Der Gegencheck: Keine Bestätigung
Schon 1821 wurde der Versuch von einem Leipziger Professor mit neun Medizinstudenten unter kontrollierten Bedingungen wiederholt. Ergebnis: Keine Fiebersymptome, keine Bestätigung für Hahnemanns Beobachtungen. Auch spätere Versuche bis weit ins 20. Jahrhundert hinein konnten seine Ergebnisse nicht reproduzieren.
Moderne Pharmakologen wissen heute, warum: Chinin, der Wirkstoff in der Chinarinde, funktioniert als Zellgift gegen Malariaerreger (winzige Parasiten, die Plasmodien genannt werden). Aber das hat nichts mit „geistiger Lebenskraft“ oder dem „Auslösen von ähnlichen Symptomen“ zu tun. Hahnemanns Beobachtungen könnten durch eine allergische Reaktion oder die Überdosis erklärt werden – aber nicht durch sein Ähnlichkeitsprinzip.
Der große Irrtum
Das Tragische an der Geschichte? Hahnemann zog aus seinem missglückten Experiment eine ganze Theorie, an die bis heute viele Menschen glauben. Aber das Ähnlichkeitsprinzip hält keiner wissenschaftlichen Überprüfung stand. Es gibt keine „verstimmte Lebenskraft“, die durch homöopathische Mittel ins Gleichgewicht gebracht werden könnte.
Hahnemann hat in einer Zeit geforscht, in der es noch keine moderne Medizin gab – sein Irrtum ist ihm nicht vorzuwerfen. Aber dass Homöopathen bis heute an diesen alten Ideen festhalten, obwohl wir längst wissen, wie Medizin tatsächlich funktioniert, ist schwer nachvollziehbar. Und tatsächlich – einige Homöopathen räumen langsam ein, dass der Chinarindenversuch nicht die ultimative Basis für die homöopathische Lehre sein kann. Sie beantworten allerdings nicht die Frage, was denn dann?
Also: Beim nächsten Mal, wenn jemand die „Geburtsstunde der Homöopathie“ beschwört, wissen wir, dass es vielmehr die Geburtsstunde eines großen Irrtums war.