Das Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie – was ist eigentlich damit?
Die Sache mit dem Ähnlichkeitsprinzip bei der Homöopathie taucht bei ganz vielen Beiträgen auf Susannchens Seiten sozusagen zwischen den Zeilen auf. Aber irgendwie gibt es dazu noch gar keinen Artikel, der es „auf den Punkt“ bringt. Hier ist er!
Das Ähnlichkeitsprinzip, auch Simileprinzip, das „similia similibus curentur“ (Ähnliches möge Ähnliches heilen) ist das Fundament von Hahnemanns homöopathischem Gedankengebäude. Hahnemann glaubte, hierin so etwas wie ein Naturgesetz (ein „göttliches Gesetz“ in seinen Worten) gefunden zu haben. Und er war sich bestimmt klar darüber, dass ohne das Ähnlichkeitsprinzip die Homöopathie wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen würde. Denn der ganze „Rest“ der Homöopathie – vor allem das „Finden“ des Simile, des „ähnlichen Mittels“ durch die Arzneimittelprüfung am Gesunden und die Entscheidung für ein Mittel in der Therapie – hängen davon entscheidend ab. Deshalb lohnt ein genauer Blick.
Ein Relikt der „magischen“ Weltsicht
Fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Das Ähnlichkeitsprinzip ist eine vorwissenschaftliche Idee, für die es keine wissenschaftlichen Belege gibt. Hahnemann war, wie seine gesamte Ärztegeneration, noch von verschiedenen Formen der Ähnlichkeitsvorstellung beeinflusst, die bis in die Antike zurückgehen. Das ist ein Teil des in der vorwissenschaftlichen Zeit üblichen „magischen“ Weltbildes, bei dem Erscheinungsformen in der Natur auf menschliche Belange hin wahrgenommen und bezogen werden. So sollte die Walnuss für die Behandlung von Erkrankungen des Gehirns wirksam sein, da ihre Form dem menschlichen Gehirn ähnelt. In ähnlicher Weise wurden Bohnen Heilkräfte für Nierenkrankheiten zugeschrieben. Selbst reine Namensähnlichkeiten (!) wurden manchen angeblichen Bedeutungszusammenhängen zugrunde gelegt.
Der Ursprung all dessen liegt in den Wurzeln der Esoterik. Das Prinzip des „So oben, wie unten“ des Hermes Trismegistos manifestiert den esoterischen Grundsatz der Gleichheit von Mikro- und Makrokosmos, von Kosmos und Mensch, der Identität von „allem“. Diese Grundidee war in vielen Variationen prägend für die Weltsicht der vorwissenschaftlichen Zeit und dient auch heute noch als Grundlage von esoterisch-okkulten Sichtweisen, auch in der Pseudomedizin.
Die evolutionär erworbene Neigung des Menschen, nach Zusammenhängen und Erklärungen zu suchen, wirkt sich hier aus. Meist kam noch die esoterisch-religiöse Überzeugung hinzu, dass die Natur dem Menschen zu dienen habe und sie daher auch auf seine Bedürfnisse hin „gestaltet“ sein müsse. Ähnlichkeit ist nichts Objektives, was gesetzmäßig Zusammenhänge aufzeigen würde, sondern findet in der menschlichen Wahrnehmung statt. Zusammenhänge zwischen nur scheinbar ähnlichen Dingen herzustellen, hatte (und hat) die Funktion, in einer großteils unerklärlichen Welt, die das Gefühl der Ohnmacht und Unwissenheit schafft, eine „Ordnung“ herzustellen, die Sicherheit schafft. Das ist sehr menschlich, aber ein Irrweg.
Hahnemanns Ähnlichkeitsprinzip
Hahnemanns „Ähnlichkeitsgesetz“ ist eine von ihm selbst auf seine Homöopathie hin erdachte Variante. Geprägt von den alten Ähnlichkeitsvorstellungen entwickelte er seine Idee, dass eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome auslöst, in der Lage sein sollte, die gleichen Symptome bei einem kranken Menschen zu bekämpfen (und damit die Krankheit zum Verschwinden zu bringen).
Von den Homöopathen wird Hahnemann gern als der originäre Schöpfer seines Ähnlichkeitsprinzip hingestellt, der es unbeeinflusst und aus eigener Überlegung gefunden haben soll. Das ist aber nicht so. In den Jahrzehnten vor Hahnemanns ersten Veröffentlichungen zur Homöopathie (1796) hatten sich sogar schon andere Gelehrte gezielt Gedanken darüber gemacht, ob vielleicht Similia einen Nutzen für die Medizin haben könnten.
Vermutlich hat Hahnemann auch das Werk De curatione per similia („Von der Heilung mittels Ähnlichkeit“) von Michael Alberti gekannt, das 60 Jahre vor seiner Zeit verfasst worden war – Hahnemann war äußerst belesen und durchaus auf der Höhe der Erkenntnisse seiner Zeit. Zweifellos hatte auch Paracelsus auf Hahnemann großen Einfluss, der seinerseits war – obwohl Medizinreformer – noch vom „magischen“ Denken stark durchdrungen ( „hermetisches Prinzip“ der wechselseitigen Übereinstimmungen zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos). Athanasius Kircher, Universalgelehrter und DIE wissenschaftliche Autorität des 17. Jahrhunderts, ein Mann zwischen Magie und Wissenschaft, war natürlich auch Hahnemann bekannt – dessen Motto lautete bezeichnenderweise In uno omnia (In Einem alles).
Hahnemann brachte seine Beobachtungen bei seinem Chinarinden-Experiment mit dem Ähnlichkeitsgedanken zusammen: Nachdem er (ziemlich viel) Chinarinde zu sich genommen hatte, meinte er bei sich genau die gleichen Symptome festzustellen, die sonst mit Chinin bekämpft wurden und schlussfolgerte daraus sein Ähnlichkeitsprinzip. Jedoch waren seine Beobachtungen ebenso unzuverlässig wie seine Schlussfolgerungen. Hahnemann war sich jedoch sicher, hier sein „göttliches Gesetz“ gefunden zu haben und baute darauf unerschütterlich sein Gedankengebäude der Homöopathie. Nie stellte er das Ähnlichkeitsprinzip in Frage. Es ist vielleicht gar nicht übertrieben, wenn man sagt, alles in der Homöopathie „nach“ dem Chinarinden-Experiment und dem Fehlschluss auf das Ähnlichkeitsprinzip sei auch ganz gut mit dem Begriff der „selbsterfüllenden Prophezeihung“ beschrieben. Wir wissen, das die ganze homöopathische Annahme, sie sei wirksam, auf einem System von Selbst- und Fremdtäuschung (nicht als Vorwurf gemeint!) beruht – wenn man bedenkt, dass Hahnemann und seine Exegeten unverrückbar von der Gültigkeit des Ähnlichkeitsprinzips ausgingen und damit alle ihre Schlussfolgerungen determiniert (vorher beeinflusst) waren, wird das umso verständlicher. Nur eben nicht richtig.
Die kurz nach Hahnemanns Tod (1843) auflebende wissenschaftliche Medizin hat für ein Ähnlichkeitsprinzip im Sinne eines „Zusammenhangs“ von Naturformen und menschlichen Belangen keine Bestätigung gefunden. Im Gegenteil, das Konzept der Menschenzentriertheit der gesamten Welt, die Annahme, „Mensch und Welt würden auf besondere Weise zueinander passen“ [1], hat sich im Zuge der Entwicklung moderner Naturwissenschaften verflüchtigt. Und so bedauern heute die großen Pharmahersteller vermutlich, dass sie eine Menge Geld und Zeit in die Medikamentenentwicklung stecken müssen, statt einfach auf die Suche nach „Ähnlichkeiten“ in der Natur zu gehen. Mehr als seltene Zufälle würden dabei nicht herauskommen, als Prinzip ist das Konzept der korrespondierenden Ähnlichkeiten gänzlich unbrauchbar.
Damit fällt auch die Art und Weise, wie die Homöopathie zu ihren Mitteln findet: die Arzneimittelprüfung am Gesunden. Hahnemann meinte, er müsse eine bestimmte Substanz nur an gesunden Menschen testen, um zu sehen, welche Symptome sie nach der Einnahme entwickeln. Dies würde ihn zu der Schlussfolgerung führen, dass diese Substanz als Heilmittel für Patienten mit den gleichen Symptomen geeignet wäre. Es ist einsichtig, dass das nur irgendwie funktionieren könnte, wenn das Ähnlichkeitsprinzip richtig und wirklich das fundamentale Prinzip wäre, das Hahnemann zur zentralen Grundlage seines Gedankengebäudes gemacht hatte. Und in der Tat haben Blindtests gegen Placebo bei den Arzneimittelprüfungen stets einen Wust von Symptomen und Befindlichkeiten ergeben, aber nichts, was auch nur irgendwie auf eine zugrunde liegende Systematik hindeuten würde. Und genau darin liegt auch der (ein) Grund, weshalb auch Mittel in geringen homöopathischen Potenzstufen keine spezifische Wirkung entfalten können: weil die Methode der Homöopathie ungeeignet ist, solche spezifisch wirkenden Mittel außerhalb von Zufällen überhaupt zu finden.
Übrigens: hat jemand schon beobachtet, dass Arnika-Globuli zu blauen Flecken und Prellungen führen (was ja nach der homöopathischen Lehre passieren müsste, wo doch Arnika in „allopathischer“ Dosierung GEGEN blaue Flecken und Prellungen eingesetzt wird?) Na…
Im Grunde ist die Wertlosigkeit der homöopathischen Arzneimittelprüfung ein Beleg für die Ungültigkeit des Ähnlichkeitsprinzips – und umgekehrt. Die Logik der Homöopathie ist eine nicht endenwollende Kreiselbewegung auf schwankendem Boden. Vom „festen Grund“, den Kant für eine Wissenschaft „sicheren Ganges“ forderte, keine Spur.
Ceterum censeo: Homöopathie hat keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus. Weil sie eine solche gar nicht haben kann.
[1] Mirko Lüttke: Die Kränkung des Menschen. Die Naturwissenschaften und das Ende des antik-mittelalterlichen Weltbildes (Epistemata Philosophie) – Königshausen u. Neumann (2012)
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