Aus Onkel Michaels Blog: Winnetou – der erste Heilpraktiker?
Susannchens Freund Onkel Michael hat wieder einen schönen Beitrag geschrieben, der zuerst auf seinem Blog „Onkel Michaels kleine Welt“ erschienen ist und den wir hier wiedergeben dürfen. Danke dafür! Es geht um ein paar Gedanken dazu, warum Menschen manchmal auch noch so unsinnigen „Therapien“ Vertrauen schenken und was das mit einer falschen Vorstellung von „zurück zur Natur“ und „früher war alles besser“ zu tun hat. Hier nun also Onkel Michaels Text:
Winnetou – der erste Heilpraktiker?
Ich beschäftige mich ja nun schon seit einiger Zeit mit alternativmedizinischen Themen, insbesondere der Homöopathie, und doch frage ich mich immer, wie es sein kann, dass durchaus intelligente und gebildete Menschen auf noch so großen Mumpitz hereinfallen.
Da gibt es Menschen, die pumpen sich und ihren Kindern Chlorbleiche in den Hintern und halten die weggeätzten Darmfetzen für „Würmer“, da wird auf lebenswichtige Operationen verzichtet, weil man „Reiki-Energie geschickt“ bekommt (nicht mit dem Paket, über die Luft…) oder Tumore verschwinden angeblich, weil ein/e Schamane/in sich einen auf der Klangschale abtrommelt. Genauso hirnri… ääh „interessant“ sind natürlich Bach-Blüten, ein Pflanzensud, dessen heilsame Wirkung durch die Strahlen der Morgensonne aktiviert werden müssen.
Globuli, Schüßler-Salze, Energieausgleich, Chiropraktik, Osteopathie oder Familienaufstellungen, die Variationen des Irrsinns sind mannigfaltig. Aber was bewegt die Menschen, lieber auf derartige Heilsversprechen hereinzufallen, als sich in die Hände von kompetenten Medizinern zu begeben?
Hat dieser Hang zur vermeintlich sanften, in Wirklichkeit aber wirkungslosen, Medizin etwas mit der Verklärung des „Edlen Wilden“ zu tun? Sehen diese Menschen im Heilpraktiker eine Art modernen Winnetou, der ihre Wehwehchen im Einklang mit Natur und Ahnen heilt?
Das könnte ich mir gut vorstellen, hatten doch gerade die Deutschen seit der Romantik einen starken Hang zu eben jenem Idealbild des edlen Wilden, der keine Verbrechen kennt und vollständig autonom im Einklang mit der Natur lebt, über das Wissen der Ahnen verfügt, keine Verbrechen oder sonstige schlechte Eigenschaften kennt und immer gesund ist.
Und gerade dieses Bild ist es ja, das uns die Werbung suggeriert, wenn sie einen kraftstrotzenden Indianer an Wasserfällen vorbeiklettern lässt, der sich mit einer ganz speziellen Salbe vom Rückenschmerz heilt.
Dies würde natürlich auch mit den zeitlichen Abläufen zusammen passen. Die Romantik mit ihrer Verehrung dieses vermeintlich „edlen“ Wilden fällt zusammen mit der ersten hohen Zeit der Homöopathie und deren vermeintliche Lehren vom natürlichen Heilen. James Fenimore Cooper schuf in seinen „Lederstrumpf“-Erzählungen mit den Mohikanern Chingachgook und Uncas die Paradebeispiele dieser Zeit.
Inwiefern die romantische Schwärmerei der Deutschen zur Etablierung mit ihrer Verherrlichung des Urtümlichen, des Edlen, des Reinen, des Unkorrumpierten zur Verbreitung der Homöopathie beigetragen haben, wissen wir nicht, unbestritten dürfte aber sein, dass heute in der alternantivmedizinischen Szene gerne mit diesen Stereotypen gespielt wird. Da gibt es Schamanen, die in obskuren Gewändern hanebüchene, selbst erfundene „Rituale“ vollführen, die aussehen, als wollte eine dreibeinige Kuh das Bein am Patienten heben. Natürlich ist dieses Theater, vollkommen sinnentleert. Dadurch, dass Räucherstäbchen abgebrannt oder Klangschalen besprungen werden, ist noch niemand gesund geworden.
Der Indianer ist der GUTE, der Zivilisierte der SCHLECHTE ist die einzige Botschaft, die uns hierdurch suggeriert werden soll. Der Indianer lebt mit der Natur, der Zivilisierte rücksichtslos von der Natur.
Aber schauen wir doch einmal an, wieviel an diesem Mythos dran ist.
Bereits seit mehreren Jahren untersuchen Wissenschaftler unter anderem des Smithonian National Museum of Natural History, der Universität Nebraska, der Universität Harvard oder der Baylor University in Waco den Einfluss, den die amerikanischen Ureinwohner auf ihre Umwelt hatten.
Und der war verheerend. Die Indios aus den Anden arbeiteten in der Goldgewinnung mit hochgiftigem Amalgam, mexikanische Indianer fingen ihre Fische damit, dass sie Seen vergifteten und in West Virginia fand man Spuren von Brandrodung vor 2.000 Jahren.
Nordamerikanische Ureinwohner brachten den Büffel schon lange vor der Ankunft von Europäern an den Rand des Aussterbens. Funde belegen, dass riesige Herden von Büffeln in Schluchten zu Tode gestürzt wurden, obwohl nur ein kleiner Teil verarbeitet werden konnte. Aus Alaska wissen wir, dass die Ureinwohner ganze Tierpopulationen ausrotteten.
Raymond Hames (Universität von Nebraska) fasst es so zusammen, dass die geringe Umweltzerstörung nur darauf zurückzuführen ist, dass die indigene Bevölkerung des amerikanischen Kontinents einfach zahlenmäßig zu schwach war und nur über eine primitive Technik verfügte. Wäre dies anders gewesen, hätte auch der „edle Wilde“ in größerem Umfang seine Umwelt zerstört.
Und am Rande noch, selbst die „Weissagung der Cree“:
stammt vom US-amerikanischen Filmregisseur Ted Perry.
Also sollte sich jeder, der das nächste Mal zum Schamanen rennt, mal gut nachdenken, ob er nicht doch einen richtigen Mediziner aufsuchen möchte.
_________________________________________________