Aufstand der Professoren und ein später Sieg
Heute dürfen wir noch einmal auf einen schönen Artikel von Onkel Michaels Blog zurückgreifen. Er beschäftigt sich mit den esoterischen Verirrungen eines gewissen Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor, Prince of Wales and Duke of Windsor, seines Zeichens englischer Thronfolger. Seine Königliche Hoheit haben sich zeitlebens mit Architektur, Städtebau, Landwirtschaft und – dem beschäftigt, was er für Naturheilkunde hält, ganz besonders mit Homöopathie. Während ihm in den erstgenannten Bereichen Expertise nicht abzusprechen ist, lassen seine Aktivitäten medizinisch-homöopathischer Art nicht nur den Leuten im Königreich die Haare zu Berge stehen… Erfahren Sie, liebe Leserinnen und Leser, hier selbst, wie der Prinz mit der Autorität des Hochwohlgeborenen versucht hat, der Homöopathie „Gutes zu tun“:
Aufstand der Professoren und ein später Sieg
Prince Charles ist nicht nur die Nummer 1 der britischen Thronfolge, sondern auch etwas anderes, nämlich einer der aktivsten Lobbyisten für Homöopathie und alternative Heilmethoden und das nicht nur im Vereinigten Königreich. Nein, er versucht es auch außerhalb der Grenzen, bei der WHO, der Weltgesundheitsorganisation beispielsweise. 2006 trat er dort auf, wie der Spiegel berichtet: Der Prinz sprach wie aus einem Märchen entsprungen: „Die richtige Mischung aus erprobten ergänzenden, aus traditionellen und modernen Heilmitteln, welche die aktive Teilnahme des Patieenten unterstreichen, können dazu beitragen, eine starke heilende Kraft in der Welt zu erschaffen.“ Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor beschwor die „heilenden Kräfte“ vor der Jahresvollversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Dort setzte der britische Thronfolger seine Bekanntheit für das Anliegen der von ihm gegründeten Foundation for Integrated Health (FIH) ein – die Förderung sogenannter traditioneller und alternativer Medizin. „Die orthodoxe Medizin muss noch so viel lernen“, sagte der Hochadlige. (1)
Gegen diese Initiative des Prinzen von Wales formierte sich allerdings heftiger Widerstand von kompetenter Seite. In der „Times“ veröffentlichten insgesamt 13 renommierte Ärzte einen offenen Brief, der zeitgleich auch an alle 476 regionalen Treuhändergesellschaften des NHS (National Health Service) ging. Darunter sind der Nobelpreisträger James Black vom Kings College London und Keith Peters, der Präsident der Academy of Medical Sciences. Selbst der erste britische Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin, Edzard Ernst, unterzeichnete. (1) Initiator war der emeritierte Professor für Chirurgie am University College of London, der in einem anderen Artikel von der Times so charakterisiert wurde: Anti-alternative: The emeritus professor of surgery at University College London wants alternative medicine banned in the NHS. Claim to fame: He described homoeopathy as a „cruel deception“ in an open letter to health authority bosses. Lasting legacy: Has given a spur to the NHS to be more consistent in what it provides free and what it doesn’t. (2)
Was nun wollten diese 13 Mediziner? Ganz einfach, sie forderten, dass der NHS nur dann Gelder für „alternative Heilmethoden“ ausgeben solle, wenn deren Wirkung nach den Standarts der Wissenschaft belegt ist. In dem offenen Brief in der Times las es sich dann wie folgt: Re Use of ‘alternative’ medicine in the NHS. We are a group of physicians and scientists who are concerned about ways in which unproven or disproved treatments are being encouraged for general use in the NHS…. While medical practice must remain open to new discoveries for which there is convincing evidence, including any branded as ‘alternative’, it would be highly irresponsible to embrace any medicine as though it were a matter of principle…. These are not trivial matters. We urge you to take an early opportunity to review practice in your own trust with a view to ensuring that patients do not receive misleading information about the effectiveness of alternative medicines. We would also ask you to write to the Department of Health requesting evidence-based information for trusts and for patients with respect to alternative medicine. (2)
Aber auch der NHS wird direkt kritisiert, vermuten die Wissenschaftler doch eine koordinierte Aktion, durch die alternative Heilweisen neben der evidenzbasierten Medizin etabliert werden sollen. Der Hintergrund dieses Appells für evidenzbasierte Medizin sind die knappen Kassen des NHS. „In Zeiten, wo wir für unsere Patienten um den Zugang zu Herceptin kämpfen müssen,
das erwiesenermaßen die Überlebenschancen bei Brustkrebs erhöht, finde ich es fürchterlich, dass der NHS eine Therapie wie Homöopathie bezahlt, die schlichtweg Schwindel ist“, sagte Baum der „Times“. „Wenn die Leute dafür ihr eigenes Geld ausgeben, fein“, sagte Baum, „aber es sollten keine NHS-Mittel sein.“ (1)
Dies war aber nicht der erste Versuch von Prince Charles, auf die etablierte Medizin Einfluss zu nehmen. Bereits 2005 veröffentlichte seine Foundation for Integrated Health den sogenannten „Smallwood Report“ oder „The Role of Complementary and Alternative Medicine in the NHS: An Investigation into the Potential Contribution of Mainstream Alternative Therapies to Healthcare in the UK“, wie der Titel in voller Länge lautet. Bereits dieser Report wurde von Prof. Edzard Ernst kritisiert. So schrieb er, dass die Schlussfolgerungen dieses Reports bereits feststanden, noch bevor die Autoren überhaupt nach Beweisen für sie hätten suchen können. Daraufhin initiierte der Privatsekretär des Prince of Wales, Sir Michael Peat, eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Fehlverhaltens gegen Professor Ernst, der allerdings von allen Vorwürfen entlastet wurde. Trotzdem wurden die Mittel für seine Abteilung gestrichen und Ernst emeritiert. (3)
2008 gerieten Prince Charles und Professor Ernst dann wieder aneinander, als die FIH zwei Broschüren zu „alternativen Heilmethoden“ veröffentlichte und darunter auch Homöopathie, Reflexzonenmassage oder Chiropraktik empfahl, obschon deren Wirksamkeit bisher noch nicht erwiesen ist. Gemeinsam mit dem Wissenschaftsjournalisten Simon Singh veröffentlichte Edzard Ernst einen offenen Brief in der „Times“, in dem sie feststellten: Der Nation kann nicht gedient sein, wenn ineffektive und manchmal gefährliche alternative Behandlungen gefördert werden. (5) Und weiter führen sie aus: Die Mehrheit der alternativen Therapien scheint klinisch unwirksam zu sein, und viele sind geradezu gefährlich. (4) Ebenfalls 2008 erschien das Buch von Ernst und Singh mit dem Titel Trick or Treatment: Alternative Medicine on Trial, das die Autoren dem Prinzen widmeten. Auch beschäftigt sich das letzte Kapitel dieses Buches kritisch mit den Initiativen von Charles.
Unter dem Label „Duchy Originals“ vertreibt Prince Charles übrigens selbst eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmittel, darunter auch eine „Detox-Tinktur“, was Professor Ernst als „finanzielle Ausnutzung der Verwundbaren“ und „endgültige Quacksalberei“ bezeichnete. Im Jahr 2009 rügte auch die Advertising Standards Authority eine Werbe-E-Mail von Duchys Original, in der eben jene Detox-Tinktur sowie Echina-Relief- und Hyperi-Lift-Produkte angepriesen wurden, als irreführend. (4)
Als bekannt wurde, dass sich der Prinz persönlich an Politiker gewandt hatte, um seine persönlichen Vorstellungen zu verschiedenen Themen (darunter auch der Komplementärmedizin) zu unterstützen, erntete er massive Kritik. Diese Briefe wurden „Black-Spider-Letters“ genannt, da Anrede und Gruß von Charles mit der Hand geschrieben wurden und seine Handschrift wohl an Spinnenbeine erinnert. Dies war ein handfester Skandal, ist es doch für aktive und zukünftigen Regenten absolut verpönt, sich in die Tagespolitik einzumischen und es wurde ganz offen diskutiert, ob Prince Charles geeignet ist, die Nachfolge auf dem Thron anzutreten. Bekannt wurden sieben Briefe an die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) und an den damaligen Staatssekretär im Gesundheitsministerium Andy Burnham. (4)
Alle Kritiker der Komplementärmedizin, allen voran natürlich Prof. Ernst und Prof. Baum, konnten vor kurzem einen großen Erfolg für sich verbuchen, beschloss der NHS doch im Juli 2017, dass homöopathische Mittel nicht mehr von der Versichertengemeinschaft bezahlt werden. Das Informationsnetzwerk Homöopathie schreibt dazu:
Der National Health Service (NHS), der Träger des Gesundheitssystems in Großbritannien, hat die Verschreibungsfähigkeit von Homöopathika (und 17 weiteren Mitteln, durchweg pflanzliche Remedien) beendet. Der Schritt erfolgte wegen „geringer klinischer Wirksamkeit“ und/oder „geringer Kosteneffizienz“. Ein ebenso konsequenter wie überfälliger Schritt. Der „Guardian“ und der „Telegraph“ berichten.
Die Good Thinking Society, die Vereinigung der englischen Skeptiker, begrüßte diesen Schritt des NHS nachdrücklich: „Das ist eine sehr willkommene Nachricht. Jede glaubwürdige medizinische Institution ist sich sicher, dass homöopathische Heilmittel schlicht und einfach keinerlei Wirksamkeit haben, unter keinen Umständen – und es ist toll, dass diese klare und starke Aussage vom NHS offiziell als Tatsache anerkannt wird.“
Natürlich spielt auch der wirtschaftliche und finanzielle Druck auf den NHS hier eine Rolle. Das schmälert die Bedeutung dieses Schrittes aber in keiner Weise. Wir hoffen, dass es hier bei uns nicht erst zu einer solchen Drucksituation kommen muss, bis erkannt wird, dass im öffentlichen Gesundheitssystem kein Platz für unwirksame Mittel und Methoden ist, nicht nur und im Grunde nicht einmal vorrangig aus wirtschaftlichen Gründen. (6)
Dies ist natürlich auch ein herber Schlag für Prince Charles und seine Bemühungen, für seine Produkte wird er aber sicherlich noch finanzkräftige Abnehmer finden. Die Entscheidung des NHS ist aber sicherlich auch auf die ständige und unermüdliche Arbeit von Menschen wie Edzard Ernst oder Michael Baum zurück zu führen. Deswegen möchte ich das Schlusswort dieses Artikels auch Prof. Baum überlassen, der bereits 2004 in einem offenen Brief an Prince Charles feststellte:
The power of my authority comes with a kowledge built on 40 years of study and 25 years of active involvement in cancer research. […] Your power and authority rest on an accident of birth. (7)
Quellen:
(1) http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/alternativmedizin-nobelpreistraeger-gegen-prinz-charles-a-417797.html
(2) https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Michael_Baum&oldid=786582163
(3) https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Smallwood_Report&oldid=788958822
(4) https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Charles,_Prince_of_Wales&oldid=793872535
(7) Baum, Michael: An open letter to the Prince of Wales: with respect, your highness, you’ve got it wrong. In: The BMJ, Jg. 2004, Band 329, S. 118.
Alle Artikel abgerufen am 6. August 2017