P-Globuli – nicht mal Homöopathie…
Schon mal von „P-Globuli“ gehört? Ist uns schon öfter mal begegnet – meist unter dem Namen „Pupsglobuli“ oder, ausführlich, „Paderborner Pupsglobuli“. Was sich anhört wie ein Scherz, ist beileibe keiner, sondern das Leib- und Magenpräparat einer Paderborner Apotheke. Entwickelt vom früheren Eigentümer, offenbar mit Überzeugung weiter vertrieben von der jetzigen Geschäftsinhaberin und ganz offensichtlich höchst beliebt bei den jungen Muttis der Umgebung. Und nun hat dieses „Mittel“ sogar den Weg in einen Bericht der „Neuen Westfälischen“ gefunden.
Man mag schon vom Ansatz her schmunzeln, aber letzten Endes haben wir hier nichts vor uns, was ungetrübte Heiterkeit rechtfertigen würde. Denn die P-Globuli strotzen vor Absurdität, auch und gerade unter homöopathischen Gesichtspunkten.
Worum handelt es sich? Um homöopathisch verdünnte Mittelchen wie Fenchel und Kümmel, die als Aufguss / Tee den kleinen bauchschmerzgeplagten Patienten in ihrer „Originalform“ durchaus helfen, also in diesem Sinne „Medizin“ darstellen. Ja, aber nun mag uns doch mal jemand erklären, wieso Mittel, die ganz normal helfen, wenn sie als Teeaufguss verwendet werden, nun plötzlich eine tolle Wirkung entwickeln sollen, wenn sie in hoher, pharmakologisch sicher nicht ausreichender Verdünnung (worauf Dr. Norbert Aust vom INH im Artikel bei der NW zu Recht hinweist) auf Zuckerkugeln verabreicht werden? Was, bitte, soll das denn mit Homöopathie zu tun haben?
Wir wissen: Das Similieprinzip in der Homöopathie beruht auf der Grundannahme, dass ein Stoff, der beim Gesunden eine Krankheit auslöst, diese bei einem Kranken zu heilen imstande sein soll. Wenn es eine zentrale Grundannahme im Rahmen von Homöopathie gibt, dann ist es ohne Zweifel diese. Ja wie jetzt? Das passt doch hier schon mal vorne und hinten nicht! Fenchel, Minze, Kümmel und Co. lösen doch Blähungsbeschwerden beim Säugling und Kleinkind nicht aus, ganz im Gegenteil! Wenn man sich schon auf „Homöopathie“ einlässt, kommt man hier zu dem Ergebnis, dass es absurder nicht mehr geht. Das hier ist – vom Verdünnungsgrad abgesehen – Allopathie reinsten Wassers, also die Behandlung mit einem Gegenmittel, nicht einem Similium, einem ähnlichen Mittel, also genau das, was Hahnemann in den tiefsten Grund der Hölle verdammte… Getobt hätte er, der Urvater der Zuckerkugeln, hätte sicher einen seiner berüchtigten cholerischen Ausbrüche hingelegt, wären ihm die „P-Globuli“ begegnet…
Gleichwohl wird dieses populäre „Mittel“ völlig ernsthaft besprochen. Die vertreibende Apothekerin ist offenbar von der „Wirkung“ dieser Globuli ebenso überzeugt wie die treue Kundschaft im schönen Ostwestfalen. Dabei werden die Absurditäten des Mittels durchaus angedeutet im Artikel der Neuen Westfälischen, aber niemand sagt offen und klar, dass es sich um Bullshit hoch drei handelt, der weder Homoöpathie ist noch keine Homöopathie … ach was soll man dazu sagen? Das ist so eine Sache, die ist eben in sich so falsch, dass nicht mal das Gegenteil richtig ist…
Wir gestehen, dass uns die durchaus ein – kleines – Lächeln entlockt. Aber der Hintergrund ist doch ein sehr ernsthafter.
Denn was zeigt uns diese Geschichte? Sie zeigt, dass man den Menschen mit dem Image der Homöopathie (sanft, natürlich, nebenwirkungsfrei, hochwirksam, wir kennen das) jeden Mist andrehen kann und sie sich dafür dann auch noch mit Lobeshymnen bedanken. Sie zeigt ferner, dass von gestandenem Apothekenpersonal mit wissenschaftlich-pharmazeutischer Ausbildung keineswegs erwartet werden kann, offen zutage liegende Widersprüche auszumachen, die nicht nur Kritikern ins Auge fallen müssen, sondern auch Homöopathen, die wirklich etwas von ihrer Lehre verstehen. Diese Geschichte zeigt also, welche Folgen eine über Jahrzehnte mit allerlei Euphemismen, Des- und Fehlinformationen betriebene Imagekampagne pro Homöopathie in den Köpfen der Leute anrichten kann. Und angesichts dessen soll man ernsthaft dem „Argument“ Bedeutung beimessen, Homöopathie beziehe ihre Berechtigung daraus, dass sie große „Beliebtheit“ in der Bevölkerung genieße? Was einem in jüngster Zeit aus allen Ecken, sogar aus ärztlichen Fachblättern, entgegenschallt? Ernsthaft? (Dr. Natalie Grams hat darauf gerade in ihrer Kolumne „Grams‘ Sprechstunde“ sehr treffend geantwortet.)
Und so sehen wir am Beispiel der Pupsglobuli aus Paderborn die ganze Problematik der Aufklärung über Homöopathie schlaglichtartig beleuchtet: Dem positiven Image, der „sozialen Reputation“ der Homöopathie ist kaum beizukommen. Im Gegenteil. Image und Reputation reichen offenbar völlig aus, um den absurdesten Unsinn unter die Leute zu bringen, sogar solchen, der mit Homöopathie überhaupt nichts zu tun haben muss, Hauptsache, das Wort „Homöopathie“ oder „Globuli“ steht drauf.
Zum Schluss, um die Absurdität noch einmal zu steigern, sei angemerkt, dass die Apotheke sich völlig korrekt nach dem Arzneimittelgesetz richtet: sie vertreibt die Zuckerkugeln nicht unter „Pupsglobuli“, sondern unter „P-Globuli“, weil arzneimittelrechtlich der Vertrieb nur registrierter Homöopathika nicht unter Angabe einer Indikation zulässig ist… Formale Gesetzesbestimmungen werden sorgfältigst befolgt – bei der Handhabung der haarsträubendsten Unsinnigkeiten. Nun, lassen wir es heute dabei bewenden (und gestatten wir uns trotz allem ein leichtes Schmunzeln). Wie dem aber auch sei – für all dies ist wirklich nur noch der Godzilla-Facepalm angemessen:
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