Meditonsin – ein Nachtrag
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie erinnern sich noch an unseren Artikel zum „Erkältungsmittel – nichts drin, nichts dran“, zu „Meditonsin“, der hier beim Susannchen am 1. November 2017 erschienen war? Für alle, die ihre Erinnerung nochmals auffrischen möchten, man findet ihn direkt unter diesem Link.
Der bisher meistgelesene Artikel bei Susannchen – und darüber hinaus. Von einer Welle, die diese Angelegenheit schlug, wollen wir heute kurz berichten, denn es ist ein fassbares Ergebnis zu verzeichnen: Es gab eine Rüge des Presserats wegen Schleichwerbung in Sachen Meditonsin. Hier unsere kleine Chronologie:
- Am 15. November 2017 wurde das Informationsnetzwerk Homöopathie darauf aufmerksam, dass in der „Wilhelmshavener Zeitung“ ein völlig unkritischer Jubelartikel („Medizin für die ganze Familie – Studie: Homöopathisches Erkältungsmittel kann bei Untersuchung überzeugen“) zu Meditonsin erschien (unter Anführung all der in unserem Beitrag widerlegten „Studien“ und „Nachweise“), der nicht als Werbung gekennzeichnet war. Das INH postete daraufhin auf seiner Webseite:
- Die Wilhelmshavener Zeitung teile dem INH daraufhin mit, dass es sich hier um eine dpa-Meldung gehandelt habe, auf die man sich „verlassen“ habe. Was einigermaßen seltsam anmutete (dpa ist eine Nachrichtenagentur, bei der man eine solch tendenziellen Text nicht vermuten würde) und auch nicht im Ansatz erklärte, warum derart offensichtlich werbende Aussagen in einem nicht entsprechend gekennzeichneten Artikel enthalten waren.
- Am nächsten Tag ruderte man zurück: Nein, von dpa stamme die Meldung doch nicht (was uns auch verwundert hätte), sondern von einer anderen Agentur („White Lines“). Nun ja, White Lines ist eine PR-Agentur… . Ein gewisser Unterschied zu einer Nachrichtenagentur. Aber das Grundproblem bestand weiterhin: Man fühlte sich völlig im Recht bei der Wiedergabe der „Agenturnachricht“ in redaktioneller Aufmachung…
- Nun wurde man auch andernorts auf den Fall aufmerksam. Das Medien-Portal MEEDIA griff die Sache unter dem Aspekt „verbotene Schleichwerbung“ auf und erhellte Hintergründe, nicht ohne dabei die Rollen von Susannchen und dem INH unerwähnt zu lassen („Der Fall Meditonsin – wie verdeckte Homöopathie-PR in eine Tageszeitung kommt„) . Besonders kritikwürdig fand MEEDIA die Stellungnahme des zuständigen Redakteurs bei der Wilhelmshavener Zeitung, der auf Anfrage mehr oder weniger erklärt hatte, er sehe überhaupt nicht ein, einen Beitrag wie den zu Meditonsin ausdrücklich als Werbung zu kennzeichnen. Der Text stamme schließlich „von einer Agentur“, das sei ganz normal. Nun ist Agentur, wie oben schon angedeutet, nun mal nicht gleich Agentur…
- Naja – was normal ist und was nicht in einem derartigen Werbeartikel ausgerechnet zu Meditonsin, darüber hätte sich der Redakteur auf unserer Webseite informieren können… Jedenfalls fand MEEDIA das offensichtlich auch keineswegs so „normal“. Und Agenturmeldungen abschreiben und als redaktionellen Beitrag verkaufen? Da sollte man vielleicht genauer hinsehen…
- … dabei hätte man herausgefunden, dass die Agentur „White Line“ zu einem „Institut für Naturheilkunde und Kommunikation e.V.“ gehört, das sich zum Ziel gesetzt hat, „Naturheilkunde-Themen einer noch (!) breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen“. Wobei festzuhalten ist, dass bei Agenturmeldungen zu „speziellen Themen“ sicher eine gewisse Vorsicht in einer Redaktion angebracht gewesen wäre.
Nun ist der Blick auf die Homepage der Agentur „White Lines“ ja durchaus aufschlussreich, man liest dort:
Medieninformation braucht Vertrauen und Kompetenz.
Wir haben uns in über fünfzehn Jahren erfolgreicher Tätigkeit dieses Vertrauen bei Redakteuren und Kunden erarbeitet. Für unsere Kunden beliefern wir deutsche Print-, Online- und Funkmedien mit Beiträgen hauptsächlich aus dem Bereich Gesundheitsvorsorge, -erhaltung und -therapie.
(…) Beiträge unseres Medienservices sind auf Herz und Nieren geprüft, wir informieren ausschließlich über Produkte, die einer strengen wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.
So wie bei Meditonsin, beispielsweise. Aber man verlässt sich eben drauf und veröffentlicht mal eben eine Agenturmeldung von dort als redaktionellen Beitrag.
- Wie dem auch sei, ein doppeltes Ärgernis: Unwissenschaftliche „Informationen“, die nur zu einem dienen: Der Desinformation des Verbrauchers, dem ein wirksames Mittel vorgegaukelt wird und ein Presseorgan, das dabei die Grenze zwischen Werbung und redaktionellem Beitrag verwischen lässt und sich daran auch gar nicht groß stört, wenn es darauf angesprochen wird.
- Da hatte sich schon einiges zusammengeballt. Die offensichtlich fehlende Einsicht führte bei der GWUP und beim Informationsnetzwerk Homöopathie zu der Überlegung, dass dies nicht so im Raum stehen bleiben könne. Wofür gibt es die Möglichkeit zur Beschwerde beim Deutschen Presserat? Gesagt, getan.
- Und siehe da – der Presserat teilt nun mit, dass er am 21. März 2018 der Wilhelmshavener Zeitung aufgrund der Beschwerde eine öffentliche Rüge (!)ausgesprochen habe, die mit der Verpflichtung verbunden ist, diese auch in ihrem Blatt zu veröffentlichen. Kein Wunder, wenn man erfährt, dass der zuständige Redakteur auch gegenüber dem Presserat auf der Korrektheit seiner Handlungsweise beharrte. Und Susannchens detaillierten Artikel – unglaublich sowas! – ganz offensichtlich nach wie vor nicht gelesen hat…
Aus dem Rügebescheid des Presserates:
„Der Ausschuss erkennt in der Veröffentlichung eine Verletzung der in Zifter 7 Pressekodex geforderten klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Die Mitglieder sind übereinstimmend der Auffassung, dass mit dieser Art der Darstellung die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem lnteresse und Schleichwerbung nach Richtlinie7.2.. Pressekodex deutlich überschritten wird. Ohne erkennbaren Grund wird ein einzelnes Produkt aus einer Palette ähnlicher Präparate hervorgehoben und völlig unkritisch unter Verwendung werblicher Aussagen dargestellt. Der Beitrag, der – wie die Redaktion mitteilte – von einer externen Agentur zugeliefert wurde, lässt jegliche journalistische Einordnung der Qualität des Präparates vermissen. Er erweckt vielmehr den Eindruck, als handele es sich um eine redaktionell gestaltete Anzeige. Mit den presseethischen Grundsätzen ist dies nicht mehr vereinbar.“
Wir meinen:
Vordergründig vielleicht weniger ein Punkt für die Pseudomedizinkritik als einer für die Medienkritik. Aber beides ist untrennbar miteinander verbunden, wie dieser Fall zeigt. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, gegen derart unkritische, um nicht zu sagen ignorante Haltungen der Presse Stellung zu beziehen. Solche Haltungen sind die Einfallstore für die Desinformation der geneigten Kundschaft, für Propaganda unter dem falschen Etikett der „Naturheilkunde“, für die ständige Verbreitung pseudomedizinischen Unsinns. Solche unsorgfältige Pressearbeit, finden wir, betrifft uns hier auch ganz konkret, denn sie konterkariert unsere Bemühungen zur Aufklärung über Pseudomedizin. Das muss nicht sein – und das darf auch nicht sein, wie uns der Presserat dankenswerterweise bestätigt hat. Wir freuen uns – abseits jeder Häme – natürlich auch ein wenig, dass unser Artikel bei dieser Angelegenheit eine gewisse Rolle gespielt hat. Übrigens sind wir ziemlich sicher, dass es einige andere Blätter hätte genauso treffen müssen, die wir nur nicht kannten.
Bildnachweise: Screenshots Informationsnetzwerk Homöopathie / MEEDIA
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