Komplementäres zum Gruseln
Heute stellen wir den hier verlinkten Beitrag vom Blog „Unfallchirurgin und Mutter“ vor, der einen bis zu einem gewissen Grad durchaus Gruseln lässt. Anschaulich wird dort geschildert, wie und in welchem Umfang gerade bei Müttern mit Kindern das irrationale Misstrauen gegen „Chemie“ und „Schulmedizin“ oft verankert ist. Mit dem Ergebnis, dass einerseits den Kindern eine ständige Behandlungsbedürftigkeit suggeriert und andererseits im Falle einer ernsteren Erkrankung auf „alternativ“ und „komplementär“ beharrt wird – mit der Folge unnötigen Leids und womöglich schlimmer Folgen für die Kinder. Der in dem Beitrag geschilderte Fall spielt sich so oder ähnlich vermutlich allzuoft ab – ein Grund mehr, in Susannchens Auftrag mit Information und Aufklärung nicht nachzulassen.
Die geschätzte Blogschreiberin möge uns nicht böse sein, wenn wir in einem Punkt etwas anderer Meinung sind als sie. Sie zeigt gegenüber „komplementär“ eine durchaus – na, sagen wir mal, tolerante Haltung, die in dem Satz zum Ausdruck kommt: „Kann man machen, wenn es nicht schadet – warum auch nicht?“ Aus ihrer persönlichen Sicht als Ärztin mag sie hier für die eigene Familie alles gut einschätzen können – was aber eben längst nicht durchweg so ist. Deshalb sehen wir mit Susannchen die Sache mit dem Komplementären (und dem Alternativen) schon ein wenig kritischer.
Ja, wenn es nicht schadet – wenn! Wenn das Wörtchen wenn nicht wär… Wer aus der geschilderten Szene unterscheidet denn schon zwischen „alternativ“ und „komplementär“? Und in der Tat – was die Autorin schildert, ist doch viel mehr alternativ als komplementär, ausschließend statt ergänzend. Wer will denn wissen, ob etwas schadet, sei es durch unterlassene oder verspätete Behandlungen oder auch „nur“ durch die Verfestigung eines falschen Weltbildes, genau so, wie die Autorin es ja schildert? Hier agieren medizinische Laien. Und selbst dann, wenn eine wissenschaftlich fundierte Behandlung stattfindet, ist die Gabe irgendwelcher komplementärer Mittel unter Umständen deshalb ein Problem, weil sie sich auf die Wirksamkeit der Medikation auswirken können. Gut, in diesem Falle können wir der Homöopathie einen Freispruch erteilen, Zucker wird pharmazeutisch, zumal in den Globuli-Größenordnungen, schon vernachlässigbar sein. Das gilt aber keineswegs für alle wirkstoffhaltigen Dinge wie Kräuterauszüge, unnötige Vitaminpillen und Nahrungsergänzungsmittel, von dubiosen Tinkturen eines sogenannten „freien Gesundheitsmarktes“ ganz zu schweigen.
Susannchen meint, dass viele Leute heute kaum noch die Grenze zwischen Gesundheit, Unpässlichkeit und Krankheit kennen. Vielleicht sogar ein Merkmal in der dem alternativ-komplementären zugeneigten Szene. Was dabei Ursache und was Wirkung ist, kann man wohl gar nicht mehr herausfinden. Also – nichts gegen bewährte Hausmittel, der berühmte heiße Tee mit oder ohne Zitrone ist in vielen Fällen genau richtig. Aber für eine Tolerierung von Komplementär- und erst recht „Alternativ“medizin mit oder auch ohne Krankheit, ohne Information des Arztes zusätzlich zur verordneten Medikation, spricht nichts. Was eben auch dankenswerterweise deutlich in dem Beitrag wird: Die Konditionierung der armen Kinder solcher Mütter auf ein unbestimmtes „Kranksein“, wodurch natürlich die Entwicklung eines normalen, gesunden Körpergefühls verhindert wird. Solche Kinder werden später oft zur übermäßigen Selbstbeobachtung neigen, begleitet von der Vorstellung, ständig irgendetwas „zur Therapie“ tun zu müssen.
Susannchen rät deshalb: Auf dem Teppich bleiben, nicht allem und jedem Krankheitswert beimessen, aber im Bedarfsfall auch nicht zögern, ärztliche Hilfe und gute Medizin in Anspruch zu nehmen! Und was für eine passende Gelegenheit, hier noch einmal auf die kostenlose Eltern-Kind-Broschüre der GWUP hinzuweisen : Als Print und Download erhältlich, nur ein paar Klicks entfernt!