Meditonsin… schon wieder? Ja! Nein… Doch! Ooooh…
Liebe Leserinnen und Leser,
Meditonsin und kein Ende? Es scheint fast so.
Sicher erinnern sich viele an unseren Artikel über das „meistverkaufte Erkältungsmittel“ Meditonsin, der bis heute der meistgelesene und meistgeteilte Beitrag auf unserer Webseite ist. Ebenso wird der eine oder andere noch im Gedächtnis haben, dass mehr oder weniger im Schlepptau dieses Beitrags eine nicht als solche gekennzeichnete Werbung zu Meditonsin in einer Regionalzeitung erschienen war. Was zu einer öffentlichen Rüge des Presserates gegenüber diesem Blatt führte. Den Presserat interessierte der einigermaßen erstaunliche Einwand des Chefredakteurs, es habe sich doch um eine Agenturmeldung gehandelt, herzlich wenig.
Diese Geschichte wurde von dem kritischen Medienportal Meedia aufgegriffen, das zur Herkunft der „Agenturmeldung“ noch einige Hintergründe erhellen konnte.
Nun sollte man meinen, auch wenn es nur ein einzelner Fall war, dass so etwas die betroffene Szene irgendwie doch einmal zur Zurückhaltung veranlassen sollte.
Falsch gedacht.
Im April erschien in der Funk- und Fernsehzeitung „Gong“ dieser „Beitrag“. Schauen Sie ruhig genau hin. Irgendwo etwas von einer Kennzeichung als „Anzeige“ zu sehen?
Nichts dergleichen. Andererseits springt ins Auge, dass große Teile des Textes eine wortwörtliche Wiedergabe des wohlbekannten „offiziellen“ Meditonsin-Werbetextes sind („homöopathischer Trikomplex“…). Was uns nicht wundert.
Besonders perfide an dieser Art der Darstellung ist, dass auch noch eine „Leser fragen – Experten antworten“-Rubrik als „Potemkinsches Dorf“ benutzt wird, um einen redaktionellen Beitrag zu suggerieren. Mit einem „Prof. Dr. Heilpraktiker“, dessen Professorentitel übrigens nirgendwo im Netz verifiziert werden kann. Und nein, wir finden nicht, dass es ja „bloß eine Fernsehzeitung“ ist. Gerade diese Publikationen haben nach wie vor eine hohe Reichweite, sonst würde man ja schließlich so etwas auch nicht erscheinen lassen.
Insofern war uns auch diese Sache eine Mitteilung an den Presserat wert. Auch wenn wir natürlich wissen, dass wir damit nicht alle treffen, die es eigentlich treffen müsste.
Gestern, am 13. Juni, hat der Presserat über diese Beschwerde befunden. Wir haben heute die Mitteilung erhalten, dass er der Beschwerde in vollem Umfang als begründet stattgegeben und gegenüber der Zeitschrift eine öffentliche Rüge ausgesprochen hat.
Wir möchten gar nicht mit einem Satz darauf reagieren, wie, dass uns das „freut“. Das würde es durchaus nicht treffen. Wir sind aber froh darüber, dass wenigstens insoweit die Möglichkeit besteht, sich gegen derartige Unlauterkeiten zur Wehr zu setzen. Diesmal trifft es eine Zeitschrift mit einer ordentlichen Auflage und bundesweitem Vertrieb. Immerhin haben Verlag und Redaktion zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch sie als Programmzeitschrift nach presserechtlichen Maßstäben beurteilt wird („Gong“ hat keinen unerheblichen redaktionellen Inhalt und kann deshalb das „Käseblattprivileg“ – siehe unten – nicht beanspruchen). Vielleicht veranlasst das nun doch einmal jemanden zu einem (selbst-)kritischeren Umgang mit solchen Veröffentlichungen. Wobei uns klar ist, dass auch in diesem Fall eine (die gleiche?) Agentur dahinterstecken dürfte.
Mehr Konsequenzen als die öffentliche Rüge (die auch vom Presserat selbst öffentlich gemacht wird) gibt es allerdings nicht. Aber spürbar ist so etwas schon, gerade bei größeren Publikationen.
Wir meinen:
Verbraucherschutz im Gesundheitswesen ist – darauf haben wir schon oft hingewiesen – ein Stiefkind der Gesetzgebung. Das Heilmittelwerbegesetz ist ein vergleichsweise stumpfes Schwert. Die Anbieter tun sich gegenseitig nicht weh, will sagen, sie schwärzen die Konkurrenten nicht an, weil sie selbst nicht angeschwärzt werden wollen. So entwickelt sich dann ein System -zigtausendfacher Verbraucher-Irreführung. Dagegen anzugehen, wenn überhaupt möglich (und sei es presserechtlich, wie hier), bleibt Verbraucherschützern und Privatleuten überlassen. Eine staatliche Aufsicht zu Werbung im Gesundheitskontext existiert schlicht nicht (so etwas gibt es in anderen Ländern sehr wohl). Auch das finden wir sehr verbesserungsbedürftig. Nicht zuletzt, weil gerade die Homöopathie hiervon profitiert – sie unterläuft mit derartigen Aktionen das Verbot, dass sie keine Produktwerbung mit Indikationen (empfohlenen Krankheitsbildern) betreiben darf sofern ihre Mittel nur registriert sind. Rechtlich sind sie gleichwohl Arzneimittel…
Die Halbseite im „Gong“ ist aber wirklich ein besonders dreistes Exemplar von Schleichwerbung. Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich einmal über so etwas ärgern: Die Webseite des Presserates ermöglicht mit wenigen genauen Angaben zur Sache eine Online-Beschwerde. Zögern Sie nicht! Es muss sich allerdings um ein redaktionell verantwortetes Blatt handeln – sogenannte Wurfsendungen oder „Anzeigenblättchen“ unterliegen nicht dem Presserecht.
Ihr Susannchen-Team
Pressemitteilung des Presserates zu seinen Entscheidungen im Juni 2017 (siehe letzten Abschnitt)
Bildnachweise:
Pixabay – Creative Commons Lizenz CC0
„Gong“, Ausgabe 2. Aprilwoche 2018
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