Pseudo, Eso und mehr – „Akasha Kongress Back2Health“ in Bergheim
Heute berichtet das Susannchen-Team über eine aktuelle, nach unserer Ansicht ebenso wichtige wie unerfreuliche Angelegenheit.
Der Betrieb „BM.Cultura“ der Stadt Bergheim hält es für einen völlig normalen Vorgang, seine örtliche Veranstaltungshalle „Medio“ für den diesjährigen „Akasha Kongress – Back2Health“ zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Veranstaltung handelt es sich um einen Pseudomedizin- und Esoterikkongress der schlimmsten Sorte. Es sei erwähnt, dass die Stadt Bergheim bereits auf unrühmliche Veranstaltungen wie den Quer-denken-Kongress 2016 zurückblicken kann, von dem man sich seinerzeit gerade noch pflichtschuldigst distanzierte. Gelernt hat man daraus offenbar nichts.
Beispielsweise soll dort die Jim Humble-Vertraute Kerri Rivera, auch als „MMS-Päpstin“ bezeichnet, für die „Behandlung“ von Kindern mit Chlorbleiche werben (sie will durch diese systematische Misshandlung ihren eigenen Sohn von Autismus geheilt haben und geht damit weltweit hausieren). Rivera trägt den stolzen Titel Minister of the Genesis II Church of Health and Healing, also einer „Priesterin“ von Jim Humbles Scheinkirche, die versucht, das Verbot von MMS-Therapien in den USA dadurch zu umgehen, dass sie die Behandlung als „Gottesdienst“ ausgibt. Als Homöopathin bezeichnet sie sich übrigens auch…
Auch „alternative Krebsheilung“ fehlt nicht, mit Kurkuma, einer zwar interessanten Substanz, der aber bislang hierfür bei klinischen Untersuchungen außerhalb des Labors kein verwertbarer medizinischer Effekt zugesprochen werden konnte. Und es ist noch schlimmer: Bei manchen der Kongressteilnehmer ist eine esoterisch-rechtslastige, teilweise der Reichsbürgerszene zugeneigte Haltung belegbar. Was einmal mehr zeigt, dass im Bereich des Schwurbels die Übergänge oft fließend sind.
Der Physiker und Skeptiker Dr. Holm Hümmler hat mit 26 Mitunterzeichnern die Problematik in einem offenen Brief an den Bergheimer Bürgermeister dargelegt und begründet und gebeten, alle Möglichkeiten zu prüfen, diesen „Kongress“ in einer von der öffentlichen Hand betriebenen Veranstaltungshalle nach Möglichkeit noch zu verhindern. Mehr Informationen finden sich hier auf der Webseite von Dr. Holm Hümmler.
Als Reaktion darauf waren bislang nur Äußerungen des Leiters der „BM.Cultura“ in einem Artikel der Kölnischen Rundschau zu verzeichnen, die einen -gelinde gesagt- sprachlos machen. Dort wird – man kann es nicht anders sagen – das Anliegen des Offenen Briefs in völlig neben der Sache liegenden und falschen „Argumenten“ abgebürstet. Man könne „allenfalls die wissenschaftliche Richtigkeit einiger Kongressinhalte in Frage stellen“ (wie soll man das nur kommentieren!), es gebe „keine rechtliche Handhabe, um die Veranstaltung verbieten zu können“ (ein klassisches Strohmannargument, das hat niemand erwartet oder gar gefordert) und der Sachbezug der Eingabe wird mit den Worten kommentiert, sie sei eine „eine etwas intransparente Mischung aus Behauptungen und Unterstellungen“ und zeichneten ein „verzerrtes und im Wesentlichen nicht zutreffendes Bild“. Kann man das angesichts der übermittelten Informationen noch mit Unwissenheit entschuldigen?
Auf der Facebook-Seite der Kölnischen Rundschau (der, dies sei ausdrücklich erwähnt, natürlich kein Vorwurf für ihre Berichterstattung zu machen ist) finden sich inzwischen einige deutliche Reaktionen darauf.
Wir meinen:
Lieber Geschäftsführer der BM. Cultura, liebe Bergheimer Verantwortliche, diese Reaktion grenzt an eine Unverschämtheit. Erkennt ihr nicht, dass diese unsägliche Veranstaltung sich ganz bewusst eines von der öffentlichen Hand betriebenen Veranstaltungsortes bedient, um eine „Glaubwürdigkeitsdividende“ einzufahren? Der Kopp-Verlag z.B. würde sich vermutlich begeistert zeigen, diesen „Kongress“ auszurichten. Aber das wollen diese Leute gar nicht. Sie wollen nicht „unter sich“ bleiben, sie wollen durch eine Veranstaltung in einer städtischen Halle an Reputation gewinnen. Und wenn dadurch nur ein einziger Unentschlossener oder Verzweifelter auf die Seite von MMS-„Behandlungen“ gezogen oder in die Arme dubioser Krebsheiler getrieben wird, dann wäre die Verantwortung dafür auch den öffentlichen Entscheidungsträgern mit anzulasten!
Wir vom Susannchen-Team – und wir dürfen da auch für das Informationsnetzwerk Homöopathie insgesamt sprechen – protestieren ausdrücklich gegen die unangebrachte, sachlich fehlgehende und im Tenor grenzwertige Abwertung der Eingabe von Dr. Hümmler und seiner Mitunterzeichner und schließen uns diesen ausdrücklich an. Die skeptische Szene bemüht sich mit großem Engagement um Aufklärung zu solchen Dingen, um unnötiges Leid zu vermeiden, sieht aber ihre Bemühungen konterkariert, wenn solche Veranstaltungen in öffentlichen Hallen stattfinden und dies von den Verantwortlichen auch noch relativiert wird, um den Begriff „verniedlichen“ zu vermeiden.
Folgen Sie bitte den Links im Text für nähere Informationen. An dieser Stelle soll aber noch eine kleine Auswahl dessen folgen, was so bei dieser ach so unproblematischen Veranstaltung zu erwarten ist (die Anlage zur Eingabe von Dr. Hümmler enthält weitere Infos):
- „Chlordioxid auf dem Weg zum Medikament“ (Menschenverachtender Unsinn – Susannchen berichtete beispielsweise hier. Den Bergheimer Verantwortlichen scheint nicht einmal bekannt zu sein, dass der Vertrieb der Substanz in Deutschland verboten ist und kürzlich sogar mehrjährige Haftstrafen deswegen verhängt wurden.)
- „Heilen der Symptome, die man Autismus nennt“
(Dazu könnte man einen ganzen Artikel schreiben – Autismus ist eine Symptomsammlung? – Symptome sind der Gegenstand von Heilung? – Was für eine widerwärtige Abwertung von Menschen mit Autismus!) - „Alternative Krebsbehandlungen in der Praxis“ (Stichwort Kurkuma – „Alternative Krebsbehandlung“ ist für uns so ziemlich das Unethischste, was man überhaupt im pseudomedizinischen Bereich finden kann.)
- „Geistiges Entgiften“ (Ohne Worte. Ob es Leute gibt, die das nötig haben?)
- „Dieter Broers – Warum wir immer noch nicht Erwacht sind“ (Aha, der unvermeidliche Appell an die Schlafschafe… Infos zum geschätzen Vortragenden gibt es hier und für näher Interessierte z.B. auch hier.)
- … und ein Zitat vom eben genannten Referenten, das sicherlich der Goldenen Schwurbelspirale würdig wäre:
„Gefühle sind ein Netzwerk von elektromagnetischen Interferenzen, an denen ursächlich intelligente Elektronenschwingungen beteiligt sind“.
Verharmlosung ist hier völlig fehl am Platze.
Zum Schluss noch eine Anmerkung für alle, die glauben, man müsse doch den Dingen ihren Lauf lassen, man sei doch liberal und tolerant, man lebe in einem freien Land, es sei Willkür, die Halle nicht zur Verfügung zu stellen und was dergleichen bereits mehr zu lesen war:
Es ist nicht hinnehmbar, mit dem Odium des „städtischen“, des „offiziellen“ so etwas zu Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Hier sind die öffentlichen Entscheidungsträger sehr wohl in der Pflicht. Denn sie sind -wie alle Staatlichkeit- dem Gemeinwohl und auch der Rationalität verpflichtet und nicht einem dubiosen Beliebigkeitspluralismus im Kleide falsch verstandener Toleranz. Die schulterzuckende Hinnahme solcher Dinge ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich aus gutem Grund „alternativen Fakten“ entgegenstellen und eine unerträgliche Beförderung der ohnehin grassierenden Wissenschaftsfeindlichkeit.
Dass solche Veranstaltungen als solche durchgeführt werden können und dürfen -so schwer es das auch zu ertragen sein mag- ist unbestritten. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die öffentliche Hand dazu zur Verfügung stellen muss. Es ist doch klar, dass die Veranstalter genau darauf abzielen, mit ihrem Event in „städtischen Räumlichkeiten“ einen Glaubwürdigkeitsgewinn zu erreichen. Und es ist nicht mit einem falschen Toleranzbegriff kritisierbar, dass Menschen, die es besser wissen, sich dagegen wehren und damit zivilgesellschaftliches Engagement zeigen.
Auch wir appellieren an dieser Stelle an die Bergheimer Verantwortlichen: Prüfen Sie alle Möglichkeiten, die Veranstaltung in Ihrer Einrichtung noch zu verhindern. Wenn dies nicht möglich sein sollte, veranlassen Sie den Stadtrat, sich eindeutig zu distanzieren, und zwar möglichst nicht erst nach der Veranstaltung. Über die notwendigen Informationen verfügen Sie ja.
Ergänzung am 21.01.2018, 22.00 Uhr:
Zum „Akasha Kongress“ gibt es seit heute einen Eintrag im Psiram-Blog:
https://www.psiram.com/de/index.php/Akasha_Congress
Bildnachweis: Vlaminck; via Kölnische Rundschau